| Jahreszeiten | (Gedicht)
Grüner Frühling kehret wieder,
bringt uns Blüten ohne Zahl,
Und sein fröhliches Gefieder jauchzt in Wald und Wiesental,
Jubelt ob dem Saatenfeld:
O, wie herrlich ist die Welt!
Goldner Sommer, da in Bogen
hoch die Sonne glänzend geht,
Und mit windbewegten Wogen sanftes Flüstern heimlich weht,
Durch das reiche Ährenfeld:
O, wie herrlich ist die Welt!
Brauner Herbst, wo Früchte drängen sich im Garten und im Wald,
Wo von sanften Rebenhängen
froh das Lied der Winzer schallt
Über das geleerte Feld:
O, wie herrlich ist die Welt!
Weißer Winter – schneeverhangen liegt die Welt in stillem Traum;
In demantnem Glanze prangen
Wald und und Wiese, Busch
und Baum,
Und im Silbersachein das Feld:
O, wie herrlich ist die Welt!
Ob der Frühling grünt und blühet, Sommer steht in goldnem Kleid,
Ob der Herbst in Farben glühet, ob's im Winter friert und schneit – Glücklich, wem es stets gefällt:
O, wie herrlich ist die Welt!
Heinrich Seidel (1842 - 1906), deutscher Ingenieur, ab 1880 lebte er als freier Schriftsteller in Berlin
